Tatsächliche Verständigung

Oftmals wünschen Steuerpflichtige, einen Steuerfall einvernehmlich mit dem Finanzamt zu erledigen – „Kann man mit denen nicht reden?“ Doch das geht so einfach nicht. Denn Finanzämter und Finanzbematen sind an Recht und Gesetz gebunden und haben alle gleich zu behandeln. Wenn die Tatsachen feststehen, aus denen sich die Besteuerung als Rechtfolge zwingend und nicht verhandelbar ergibt, so hat das Finanamt die Steuer so festzusetzen, wie sie sich errechnet – und nicht anders.

Spielräume bestehen also nur dann, wenn die Tatsachen nicht eindeutig festgestellt und auch nicht leicht feststellbar sind.

Verständigung über Sachverhalte

Im Steuerverfahren ist es seit langem üblich, im Rahmen der Beweiserhebung über schwer zu ermittelnde Sachverhalte eine tatsächliche Verständigung herbeizuführen. Insoweit wird ein öffentlich rechtlicher Vertrag geschlossen (Klein/Brockmeyer, AO, § 78 Rn. 4). Rechtzeitige Verständigungen führen in der Regel dazu, dass Konflikte vermieden werden können. Absprachen im Steuerverfahren sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung anerkannt (BFH vom 11.12.1984 – VIII R 131/76, BStBl. II 1985, S. 354). Sie dienen der Verfahrensökonomie und der Herstellung des Rechtsfriedens. Der gesetzliche Steueranspruch selbst ist einer vertraglichen Vereinbarung entzogen; eine Verständigung kann zulässigerweise nur hinsichtlich des zu Grunde liegenden Sachverhalts erfolgen. Die Vereinbarung darf jedenfalls nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen (BFH vom 6.2.1991 – I R 13/86, BStBl. II 1991, S. 673).

Steuerstrafverteidigung bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren. Im Steuerverfahren ist der Steuerpflichtige in erheblichem Umfang zur Mitwirkung und Sachverhaltsaufklärung verpflichtet (§§ 90, 200 AO). Bei Auslandsbeziehungen hat der Steuerpflichtige gem. § 16 AStG sämtliche Beziehungen offen zu legen (§ 90 Abs. 2 AO). Im Strafverfahren bestehen diese Mitwirkungspflichten grundsätzlich weiter, können jedoch nicht mehr mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, da ansonsten gegen das Prinzip, dass sich nie- mand selbst belasten muss (nemo tenetur se ipsum accusare) verstoßen werden würde. Hier überwiegt zunächst das Interesse an der Inanspruchnahme des Schweigerechts. Gleichwohl kann es sinnvoll sein, zur schnellen Verfahrensbeendigung, möglichst noch im Ermittlungsverfahren, sowohl über die steuerlichen Sachverhalte als auch über den strafrechtlichen Fortgang mit den Steuer- bzw. Strafverfolgungsbehörden eine einvernehmliche Einigung herbeizuführen. Diese beruht auf einem gegenseitigen Nachgeben. Für den Steuerpflichtigen bedeutet dies, dass er in aller Regel bereit ist, mehr Steuern abzuführen. Tatsächliche Verständigungen sind allgemein üblich und bedingen sich gegenseitig.

Beteiligte Personen

Nach der Rechtsprechung ist eine tatsächliche Verständigung (tV) nur dann wirksam, wenn auf Seiten der Steuerbehörden der zuständige und entscheidungsbefugte Amtsträger mitwirkt, in aller Regel ist dies der Sachgebietsleiter oder der Vorsteher, gegebenenfalls auch der Leiter der Rechtsbehelfsstelle.

Form

Eine besondere Form der tatsächlichen Verständigung ist nicht vorgeschrieben, es bietet sich aber zu Beweiszwecken die Schriftform an, insbesondere, wenn die Vereinbarung nachträglich durch einen zuständigen Beamten genehmigt werden soll. Darauf ist vor allem bei Zwischenvereinbarungen im Rahmen von Betriebsprüfungen zu achten. Diese sollten auf jeden Fall im Rahmen der Schlussbesprechung mit einem Sachgebietsleiter der Veranlagung nochmals exakt festgehalten werden. Die getroffenen Vereinbarungen entfalten Bindungswirkung, sei es nach dem Prinzip von Treu und Glauben oder nach dem Grundsatz, dass einmal geschlossene Verträge zu halten sind (BFH vom 11.12.1984 – VIII R 131/76, BStBl. II 1985, S. 354).

Im Interesse der Friedenswirkung eines endgültigen Vergleichs sollten parallel laufende Steuer- und Steuerstrafverfahren nach Möglichkeit beide durch Absprachen beendet werden. Hat man sich im Steuerverfahren verständigt, ist auch oft der Weg für eine Verfahrenseinstellung gem. §§ 153, 153a StPO geebnet. Hierbei ist zu beachten, dass der tatsächlichen Verständigung im Strafprozess keine Geständniswirkung zukommt und insbesondere ein Hinterziehungsvorsatz durch die Angaben im Rahmen der Verständigung nicht nachgewiesen werden kann (Kohlmann, Steuerstrafverfahren, in: Brüssow/Krekeler/Mehle, Strafverteidigung in der Praxis, § 17 Rn. 116; Kohlmann, § 385 AO, Rn. 310). Hier ist es die Pflicht der Verteidigung, darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der tatsächlichen Verständigung unter Berücksichtigung des Zweifelsgrundsatzes (im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten) nicht ohne weiteres im Steuerstrafverfahren übernommen werden können. Sofern eine leichtfertige Steuerverkürzung diskutiert werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben im Rahmen der tatsächlichen Verständigung als strafbefreiende Selbstanzeige i. S. des § 378 Abs. 3 AO gewertet werden können (Simon/Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 345).

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